Versammlungsfreiheit und das Recht Demonstrationen durchzuführen sind ein elementares Grundrecht nach unserem Grundgesetz. Das ist auch gut so. Die Väter unserer Verfassung ließen sich davon leiten, dass die Willkür des Nazi-Reiches sich nicht wiederholen darf und jeder seine Meinung frei äußern kann, ohne dass er hierfür staatliche Sanktionen zu befürchten hat.

Das Grundgesetz wurde im Jahr 1949 verabschiedet – in einer Zeit kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, in der unsere Bundesrepublik Deutschland noch jung war, sich finden und wieder aufgebaut werden musste. Die Herausforderungen vor denen wir heute stehen und der gesellschaftliche Wandel waren nicht im Entfernsteten zu erahnen, schon gar nicht, dass das Demonstrationsrecht heute von rechten Hooligans, linken Autonomen, Reichsbürgern, Neo-Nazis u.a. Gruppierungen zum Randalieren missbraucht wird sowie zum Unruhestiften und zur Gewalt gegen staatliche Organe. Niemand konnte damals davon ausgehen, dass wir uns heutzutage mit einem organisierten Demonstrationstourismus gewaltbereiter sog. „Demonstranten“ auseinandersetzen müssen, in dem Gruppierungen aus allen Ecken Deutschlands anreisen, um ihre Gewaltexzesse auszuüben und auszuleben. Auch hatte damals niemand im Traum daran gedacht, dass es einmal einer Agentur für Berufsdemonstranten geben wird, welche „unechte Demonstranten“ anheuert, die den Protest gegen Geld nur vorgaukeln. Hier ist ein äußerst zweifelhaftes aber gut florierendes Geschäftsmodell entstanden. Siehe auch www.berufsdemonstrant.de.

Artikel 1 Abs. 1 GG: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlicher Gewalt.

Dieser Artikel ist Leitlinie für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft.

Artikel 2 GG garantiert das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit sowie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit . In Art. 8 GG wird das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln garantiert, jedoch kann für Versammlungen unter freiem Himmel dieses Recht gesetzlich beschränkt werden. Hiernach bedürfen Demonstrationen unter freiem Himmel einer Genehmigung der jeweils zuständigen Kommune. Letztenendes aber entscheiden oft die Verwaltungsgerichte, wenn nämlich die Antragsteller mit den kommunalen Entscheidungen nicht einverstanden sind.

Gewaltenteilung ist ein wichtiges und unverzichtbares Element unserer Demokratie. Aber Gerichtsentscheidungen müssen nachvollziehbar sein. Gerade wenn es um das Recht der Demonstrationsfreiheit geht sind diese oft lebensfremd und stellenweise naiv. Das wird am Beispiel der Demonstration von Querdenken gegen die Corona – Einschränkungen in Leipzig am 7. November diesen Jahres mehr als deutlich. Was dort geschehen ist, hat mit friedlichem Demonstrieren nichts zu tun und widerspricht Art 8 des Grundgesetzes. Das hier grenzte an Anarchie. Gewalt gegen Polizei und Journalisten sowie die demonstrative Ignoranz von Auflagen geht einfach zu weit. Das hat alleine das OVG Bautzen zu verantworten, die diese Demonstration, für die es ja eine Genehmigung seitens der Stadt Leipzig für das Messegelände gab, für die Innenstadt genehmigte. Diese Entscheidung war unverantwortlich, sagte der Sächsische Innenminister zu Recht.

Insbesondere gewaltbereite Hooligans und Linksautonome, die wiederkehrend die Polizei anbrüllten „Keine Gewalt, keine Gewalt“ und das selbst als Zeichen des Angriffs auf die Polizei verstanden, sind nicht zu akzeptieren. Es flogen Flaschen, Pyrotechnik, Straßensperren, Schilder und andere Gegenstände. Journalisten wurden von dem gewalttätigen Mob attackiert und zurückgedrängt. Medienaktivisten der Gewalttäter streamten via Smartphone die „Polizeigewalt gegen friedliche Bürger“. Hier wurden Tatsachen in den Darstellungen der Aktivisten bewusst verdreht, was zur Strategie gewaltbereiter Demonstranten gehört. Schließlich zog sich die Polizei zurück, sie waren zu wenige. Die Masse zog weiter, kein Mund- und Nasenschutz, keine Einhaltung der Abstandsregelung und sang „Friede, Freiheit, keine Diktatur“. Das Ergebnis: Die Gefahr eines Super-Spreader-Ereignis als Ausgangspunkt für viele Neuinfektionen. Das ist mittlerweile Alltag bei nahezu allen Demonstrationen.

Das Oberverwaltungsgericht Bautzen hat diese Demonstration in der Leipziger Innenstadt zugelassen mit Infektionsschutzauflagen, deren Einhaltung doch von vornherein unmöglich gewesen waren. Wie lebensfremd und naiv ist das denn? Die Richter hätten doch aus den Erfahrungen der vorangegangenen Demonstrationen wissen müssen, dass sich daran niemand hält, es zu Ausschreitungen kommt und die Klage abweisen müssen. Es ist leichtfertig und nicht nachvollziehbar, dass Gerichte die Bemühungen der Bundesregierung, die steigenden Infektionszahlen in den Griff zu bekommen, völlig ignorieren.

Die Bundesregierung hat das Wohl der Allgemeinheit in den Focus ihrer Entscheidungen gestellt – und das ist richtig. Die Corona – Einschränkungen werden von mehr als 80% der Bürgerinnen und Bürger als gut und angemessen empfunden. Einigen davon gehen diese Einschränkungen nicht weit genug und fordern sogar noch strengere Maßnahmen. Diese Zahlen machen die Akzeptanz einer sehr großen Mehrheit in der Bevölkerung deutlich, ebenso aber auch die Angst vor dem Virus. Bei den Demonstranten hingegen handelt es sich überwiegend um selbstsüchtige und verantwortungslose Egoisten und Ignoranten voller Unvernunft, denen es völlig egal ist, ob sich jemand infiziert. Und es wird weitere Demonstrationen geben. Querdenken hat einen bundesweiten Terminkalender im Internet veröffentlicht und bietet Anreisen mit dem Bus flächendeckend in Ostdeutschland über ein Reisebüro aus Plauen an.

Zahlreiche Politiker werfen der Polizei Versagen vor, u.a. auch die SPD Vorsitzende Saskia Eskens. Hierfür fehlt mir jedes Verständnis. Nicht die Polizei, sondern die Gerichte sind zu kritisieren. Es ist zu einfach, die Polizei wieder einmal als Sündenbock abzustempeln. Frau Eskens hat entschiedeneres Eingreifen gefordert. Was hätte die Polizei denn machen sollen? Wasserwerfer oder brutales Eingreifen wie in Weißrussland? Die Reaktionen derer, die ein härteres Vorgehen der Polizei forderten und es hierzu gekommen wäre, hätte mich interessiert. Zum Glück hat die Polizei besonnen gehandelt.

Die Politik ist gefordert, dringend Genehmigungen für Demonstrationen unter Pandemiebedingungen zu überarbeiten und die rechtlichen Grundlagen anzupassen. Geschieht das nicht, führt die Politik das Gewaltmonopol des Staates ad absurdum und macht sich lächerlich. Wir benötigen hierzu eindeutige bundeseinheitliche Regelungen mit harten Strafen gegen die Verursacher, die auch für den entstandenen Schaden haften müssen. Ggfs. sind auch die Initiatoren solcher Demos in Haftung zu nehmen, denn sie müssen dafür sorgen, dass die Bedingungen und Auflagen eingehalten werden. Gegen gewaltbereite Randalierer und Hooligans und deren Anstifter, die ja weitestgehend bekannt sind, müssen Demonstrationsverbote ausgesprochen werden können. Verstöße sind konsequent zu ahnden. Es ist Eile geboten.

Am Rande sei bemerkt, dass es unverständlich und nicht vermittelbar ist, wenn Veranstaltungen zum Gedenken an die Pogromnacht aus Corona-Gründen abgesagt werden, aber gleichzeitig in Dresden eine Pegida Kundgebung erlaubt wird. Wer soll das verstehen?

Die Politik muss jetzt zeitnah und mit allen zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mitteln konsequent handeln, sonst werden die Ausschreitungen bei Demonstrationen von bestimmten Gruppierungen als Volkssport betrachtet und der Staat hat verloren. Das gilt im Übrigen für alle Länder in der EU.