Ich komme mir vor wie im falschen Film. Da fordert der Chef der Sana-Kliniken und Vizepräsident der deutschen Krankenhausgesellschaft Thomas Lemke bei Menschen über 80 Lebensjahre operative Eingriffe wie das Einsetzen von Knieprothesen oder Hüftgelenken einzuschränken und nur noch gegen Eigenbeteiligung zu ermöglichen. Was soll das? Ist der Generationenvertrag unserer Gesellschaft ein Auslaufmodell, gilt er nicht mehr?

Von dieser Maßnahme würden besonders die privaten Krankenversicherungen profitieren, weil man sich dann zusätzlich für solche Fälle versichern müsste. Diese sind finanziell an den Sana Kliniken beteiligt. Solche Forderungen heizen die Diskussionen zur Spaltung der Gesellschaft an, insbesondere zur viel diskutierten Zweiklassengesellschaft im Gesundheitswesen. Will man etwa den privaten Krankenversicherungen eine neue Einnahmequelle durch Zusatzversicherungen erschließen? Ein Schelm, der Böses dabei denkt!

Wie tief würde unsere Gesellschaft sinken, verweigert man den Älteren Leistungen für ihre Gesundheit, die ein würdevolles Leben nach einer langen Zeit ihres Berufslebens nicht mehr garantiert. Wir reden hier über Menschen, die unser Land aufgebaut und unseren Wohlstand hart erarbeitet haben, die Kinder großgezogen haben und auch im Alter Enkel betreuen, damit deren Eltern arbeiten gehen können. Viele von ihnen könnten diese zusätzlichen Leistungen überhaupt nicht stemmen, weil die Rente nicht ausreicht. Das Ergebnis wären gesundheitliche Einschränkungen und ein großer Verlust an Lebensqualität. Das Grundrecht auf Gesundheitsversorgung muss für alle gelten. Es ist daher eine gesellschaftliche Pflicht, sich gegen Altersdiskriminierung zu wehren.

Sicherlich, es muss über eine Reform im Gesundheitswesen nachgedacht werden. Aber nicht so! Zunächst erst mal müssten die gesetzlichen Krankenkassen ihre Einsparpotentiale nutzen, die freilich vorhanden sind. Dazu gehört insbes. eine Strukturreform mit dem Ziel, die Anzahl der 94 gesetzlichen Krankenkassen auf eine Handvoll zu reduzieren. Damit ließen sich schon viele Probleme der Finanzierung unseres Gesundheitswesens lösen (siehe auch vorheriger Beitrag auf dieser WebSite vom 3.10.2025). Aber einseitig zu Lasten der älteren Generation, das ist respektlos und unsozial. Herrn Lemke würde das alles später nicht betreffen, da er sich solche zusätzlichen Belastungen im Alter locker leisten kann.

Als absolute Frechheit empfinde ich die Forderung von Prof. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), den älteren Menschen ab 70 Jahre das Wahlrecht zu entziehen. Was ist denn das für ein Demokratieverständnis? Die demographische Entwicklung zeigt, dass dann der größten Wählergruppe das Wahlrecht entzogen würde. Es sind aber gerade die Älteren, bei denen radikale Parteien an den politischen Rändern weniger Stimmen erhalten als bei andere Altersgruppen. Sie tragen damit zur Stabilität unserer Demokratie bei.

Herr Fratzscher erntete für diesen Vorschlag zu recht einen regelrechten Shitstorm. Diese Aussage im nachhinein dann als humoristischen Beitrag zu bezeichnen, ist einfach instinktlos. Er sollte sich schämen und sich Gedanken machen, ob er als DIW – Präsident nicht besser den Hut nehmen sollte. Wer Witze auf Kosten bestimmter Bevölkerungsgruppen in der heutigen Zeit macht, hat in Führungspositionen nichts verloren, erst recht, wenn man als Leiter eines Instituts auftritt, welches zu Teilen auch aus Steuermitteln finanziert wird. Andere mussten schon für weit weniger gehen.