Die CDU hat das in ihrer Geschichte schlechteste Wahlergebnis mit 24,1 % der Wählerstimmen bei dieser Bundestagswahl eingefahren und damit ihr Ziel, als stärkste Kraft aus dieser Wahl hervorzugehen, nicht erreicht. Das Scheitern bei dieser Wahl ist jetzt schonungslos und zügig aufzuarbeiten.

Eines steht fest: Armin Laschet hatte als Kanzlerkandidat einen enorm schwierigen Stand. Erinnern wir uns zurück an seine damalige Wahl 2017 zum Ministerpräsidenten des größten Bundeslandes NRW mit mehr als 17 Mio. Einwohnern. Auch dort wurde er bereits im Wahlkampf durch die Medien lächerlich und niedergemacht – aber er hat dennoch diese Wahl gewonnen. Das konnte nur gelingen, weil die eigene Partei geschlossen hinter ihrem Kandidaten stand. Es gab keinerlei Querschüsse – es galt das Motto: Einigkeit macht stark. Nur so konnte der Wahlsieg gegen die beliebte Amtsinhaberin Hannelore Kraft von der SPD gelingen und er regiert seitdem zusammen mit der FDP mit nur einer Stimme Mehrheit im Landtag NRW erfolgreich und völlig geräuschlos.

Diese Geschlossenheit der Union hat bei dieser Bundestagswahl völlig gefehlt und war ein ganz entscheidender Faktor für das desaströse Wahlergebnis. Die Medien haben diese Steilvorlage genutzt und ihn gnadenlos in ihrer Berichterstattung zerlegt und jeden Fauxpas hochgespielt. Auch im Internet wurde Armin Laschet einer regelrechten Hetzkampagne ausgesetzt, die oft weit unter die Gürtellinie ging.

Das Dilemma begann schon bei der Wahl des CDU-Vorsitzenden. Hier wurde mit Armin Laschet ein Kandidat gegen die Stimmung in der Parteibasis durchgedrückt. Das hat viele der Parteibasis verärgert. Dann kam das Gerangel um die Kanzlerkandidatur. Markus Söder wurde von vielen der Parteibasis als der Kandidat mit den besseren Chancen angesehen. Dennoch wurde Armin Laschet von Wolfgang Schäuble und Volker Bouffier durchgedrückt. Die Verärgerung vieler CDU-Mitglieder, besonders im Osten, war groß. Die Entscheidung war unwiderruflich gefallen und jetzt wäre es wichtig gewesen, wieder zur Geschlossenheit in der Union zurückzufinden. Aber das Gegenteil ist geschehen. Markus Söder hatte zwar erklärt, er stehe zu dieser Entscheidung, ließ aber keine Gelegenheit aus sich selbst zu inszenieren, stichelte ständig, dass er sich für den besseren Kandidaten hält. Das Ergebnis: Die Union zerfleischte sich selbst, wurde in zwei Lager gespaltet und selbst die Parteizentrale der CDU mit ihrem Generalsekretär Paul Ziemiak hat es nicht hinbekommen, hier ein Machtwort zu sprechen und dem Ganzen ein Ende zu setzen.

Anfangs wurde der Satz von Olaf Scholz „ich will Kanzler werden“ angesichts der Umfragewerte der SPD bei knapp über 10 % belächelt. Olaf Scholz, der bei der Wahl zum Parteivorsitzenden gnadenlos durchgefallen war, wurde von seinen Widersachern Norbert Walter Borjans und Saskia Esken quasi in einer Hinterzimmeraktion zum Kandidaten gekürt. Sein inhaltsloser Wahlkampf wurde zu einer One Man Show. Gebetsmühlenartig spulte er seine Wahlkampfthemen Soziale Gerechtigkeit, Besteuerung der Reichen, Respekt, Mindestlohn 12 EURO runter und holte völlig unerwartet und nahezu geräuschlos mit geschickten Inszenierungen in den Medien auf. Konkreten Fragen zu seinen Wahlkampfhemen wich er aus – er blieb dabei inhaltlich blass. Die SPD ließ ihn gewähren. Sie stand geschlossen hinter ihm. Die linken Parteigenossen hielten still und selbst von den JUSOS gab es keinerlei Störfeuer. Sie waren sich einig und ordneten alles dem Wahlziel unter..

Bei der CDU hingegen entstand für die Wähler der Eindruck, sie befasst sich nur mit sich selbst, steht nicht zu dem eigenen Kandidaten und hat kein eigenes Wahlprogramm, denn der Wahlkampf bezog sich vorrangig auf das Thema: „Linksruck verhindern“. Das eigentliche Wahlprogramm der CDU blieb weitestgehend auf der Strecke, auch, weil man ständig mit der Kanzlerpersonalie beschäftigt war. Das hat enorme Stimmen und letztlich auch den Wahlsieg gekostet.

Dabei hatte die CDU ein sehr gutes und ausgewogenes Wahlprogramm vorzuweisen, welches alle Themenfelder für die Herausforderungen der Zukunft beinhaltete und nachvollziehbare Lösungswege ohne Verbote und Bevormundung aufzeichnete. Auch auf die gute Regierungsarbeit von Armin Laschet in NRW wurde überhaupt nicht eingegangen. Er war ein starker Ministerpräsident, ist ein überzeugter Europäer mit klarem Kompass und ein Mensch, der für einen großen Zusammenhalt steht, ein Teamplayer. In seiner Regierungszeit wurden richtungsweisende Maßnahmen im Klimaschutz vorangetrieben und u.a. endlich das Thema Clan-Kriminalität erfolgreich angepackt.

Auch ließ die CDU Olaf Scholz nahezu widerspruchslos gewähren. Sie hatte ihn völlig unterschätzt. Er wurde nicht attackiert, gab es hierzu doch genügend Anlass. Ich erinnere an den G 20 Gipfel in Hamburg, bei dem er als verantwortlicher regierender Bürgermeister die Lage völlig falsch eingeschätzt hat und diesen Gipfel mit einem Hafengeburtstag verglich, sodass es zu den Gewaltexzessen kam. Ebenso an den Cum Ex Skandal und an das Nichteingreifen bei Wire Card. Er ist diesen Fragen aalglatt geschickt ausgewichen, hat alle Schuld von sich gewiesen und stellenweise so getan, als ginge ihn das gar nichts an. Auch die Medien haben ihn bei der Frage nach seiner Verantwortung geschont und nicht tiefer nachgebohrt.

Wolfgang Schäuble hat an Olaf Scholz geordnete Finanzen übergeben. Aufgrund der guten Wirtschaftslage verfügte das Ministerium über eine gute Finanzsituation. Er setzte sich ins gemachte Nest. Scholz verstand es dann geschickt, sich als Finanzminister in der Corona Krise sowie bei der Flutkatastrophe in Szene zu setzen, während gleichzeitig das Lachen von Armin Laschet gnadenlos ausgeschlachtet wurde. Dieser Fauxpas hat Olaf Scholz entscheidende Prozentpunkte eingebracht.

Der Wahlkampf der CDU hat viel zu spät begonnen. Für die Wahlkampfstrategie verantwortlich ist der Generalsekretär. Er muss sich die Fragen gefallen lassen, warum zum einen das Wahlprogramm so spät vorgestellt wurde und zum anderen ein digitaler Wahlkampf nahezu nicht stattfand. Gerade um die jüngeren Wähler zu erreichen wäre das unerlässlich gewesen. Das haben andere Parteien wesentlich besser hinbekommen.

Ja, der Wahlkampf lief nicht rund. Aber wenn viele Mitglieder den eigenen Kandidaten in Frage stellen, wie soll man da einem Unentschlossenen erklären, CDU zu wählen. Ein inhaltlicher Wahlkampf war nahezu nicht möglich, weil die CDU weitgehend mit sich selbst beschäftigt war. Besonders erschreckend war die Tatsache, dass selbst Mandatsträger, angefangen von Mitglieder des Bundestages, ebenso von Landtagen und das besonders im Osten bis runter in die Kommunalparlamente noch wenige Wochen vor der Wahl hinsichtlich der schlechten Umfragewerte darüber diskutierten, noch den Kandidaten auszuwechseln. Und wenn dann selbst Funktionsträger in der eigenen Partei öffentlich erklären, Armin Laschet sei nicht ihr Kandidat, dann ist das schonungslos und ohne Rücksicht auf Personen aufzuarbeiten. Hier muss ernsthaft hinterfragt werden, ob sie als Mandats- oder Funktionsträger noch tragbar sind. Loyalität gegenüber der eigenen Partei ist eine grundsätzliche und geradezu unverzichtbare Voraussetzung sowohl für alle Mandats- als auch Funktionsträger, ganz besonders in einem Wahlkampf. Das ist ein Schlag ins Gesicht für alle Ehrenamtlichen, die vor Ort aktiven Wahlkampf mit großem Einsatz betrieben haben.

Auch das Verhältnis zu Markus Söder und der CSU mit ihrem Generalsekretär ist kritisch aufzuarbeiten. Söder war und ist der große Brandstifter. Er hat im übrigen mit der CSU in Bayern ebenso große Verluste hinnehmen müssen. Mit seinen Selbstinszenierungen und Sticheleien trifft ihn große Mitschuld am Wahlergebnis.

Bei der Zweitstimme geht es ja nicht nur um den Kanzler, sondern zunächst erst mal um die Zusammensetzung des neuen Bundestages und damit die Einflussnahme auf die künftige Politik. Je stärker die Fraktion im Bundestag vertreten ist, desto größer ist ihr Gewicht bei künftigen Koalitionsverhandlungen und dann natürlich auch bei der Wahl des Kanzlers. Das wurde überhaupt nicht kommuniziert bzw. ging in der Gesamtdiskussion leider unter. Es wurde den Wählern immer erklärt, mit der Zweitstimme der CDU wählt man Armin Laschet – das ist nur teilweise richtig.

Jetzt stellt sich die Frage, was lernen wir aus dem Wahldebakel und daraus folgend, wie schaffen wir einen Neuanfang. Die CDU muss ihre eingefahrenen Strukturen und Denkweisen auf den Prüfstand stellen und künftig die Parteibasis in die inhaltlichen und vor allem auch personellen Neuausrichtungen einbeziehen. Die große Stärke der CDU liegt in ihren mehr als 400.000 Mitgliedern – kluge Menschen mit Wissen, Meinungen und Freude an der Politik. Sie sind starke Multiplikatoren in Vereinen und Organisationen und wichtiger Ausgangs- und Bezugspunkt des Erneuerungsprozesses. Diese Mitglieder müssen auf dem Weg der Neuausrichtung mitgenommen werden. Daher ist es unerlässlich, die Parteibasis in die Entscheidung über wichtige Parteiämter einzubeziehen, denn eine hochmotivierte Parteibasis ist Voraussetzung um Wahlen zu gewinnen.

In die inhaltliche Erneuerung sind auch die Vereinigungen der CDU einzubeziehen: Junge Union, Schüler Union, Senioren Union, Mittelstandsvereinigung, Frauen Union, Christlich Demokratische Arbeitnehmerschaft, Kommunalpolitische Vereinigung sowie Ost-und Mitteldeutsche Vereinigung können hier entscheidende Impulse geben. Nur so wird eine breit angelegte Diskussion und Akzeptanz für die zu definierenden Ziele erreicht. Es wird ein klarer Kompass mit Wertefundament benötigt, ferner eine Unterscheidbarkeit zu anderen Parteien und eine neue politische Begeisterungsfähigkeit. Es ist jetzt schnell eine Diskussion über den innerparteilichen Neuanfang in Gang zu setzen. Dabei muss es um die besten Argumente gehen und nicht um falsche Obrigkeitsgläubigkeit. Das macht die CDU attraktiv für neue Mitglieder, die sich hier einbringen und die Zukunft mitbestimmen wollen. Die CDU als Volkspartei muss sich dem Anspruch stellen, jederzeit für die Probleme der Menschen eigene Lösungen aufzuzeigen und für diese auch zu kämpfen, anstatt immer nur Abwehrkämpfe zu führen. Sicherlich, dazu braucht es auch hier und da mal Mut zum Polarisieren statt Angst vor Kontroversen.

Ein Neuanfang wird nur mit neuen unverbrauchten Köpfen gelingen. Eine neue Bundesparteispitze mit neuen Gesichtern muss mit Aufbruchstimmung und Mut beweisen, dass dieser Weg begangen werden soll. Dabei muss sich die ganze Breite unserer Volkspartei wiederfinden. Wir brauchen im neuen Vorstand vor allem auch Mitglieder, die ihre Ausbildung auf dem dualen Weg absolviert haben, die Berufsleben kennen, die wissen, wie arbeiten geht und nicht gleich vom Studium in die Politik gewechselt sind oder gar keine abgeschlossene Ausbildung haben.

Es stellen sich viele grundsätzliche Fragen wie: Vertritt die CDU weiterhin konservative Werte wie Recht und Ordnung? Wie lässt sich der Osten wieder zurück gewinnen? Ist eine Hochsteuerpolitik mit riesiger Staatsverschuldung nach französischem Muster der Idee der sozialen Marktwirtschaft würdig? Ließe sich ein europäischer, digitaler Konservatismus nicht besser mit der kreativen Historie der Christdemokraten verbinden, als hilflos den radikalen Visionen der Klimabewegung hinterher zu hecheln usw. ? Deutschland ist nicht alleine Berlin, sondern mit viel Provinz, wertschöpfender Industrie, fleißigem Handwerk und Familien ein strukturkonservatives Land. Das gilt es zu bedenken und auch zu bewahren.