SPD, Grüne und FDP loten derzeit aus, ob sie eine Ampelkoalition hinbekommen. Angesichts der Wahlprogramme, die unterschiedlicher nicht sein können, ein schwieriges Unterfangen. Das schien vor Kurzem noch unvorstellbar wenn wir uns daran erinnern, was sie sich gegenseitig schon alles an den Kopf geworfen haben.

Die Grünen seien „Spießer“ erklärte Lindner vor Jahren und Rainer Brüderle bezeichnete Jürgen Trittin als „Don Blech der deutschen Politik“ und bei den Grünen gilt „Mao trifft Dosenpfand“. Umgekehrt war die FDP für einige Grüne so etwas wie der Klassenfeind. FDP? das bedeutet „Fick den Planeten“ twitterte Jürgen Trittin noch im Juli dieses Jahres.

Die Welt am Sonntag hat sich unter der Überschrift „Operation Streichel-Koalition“ mit den Gesprächen über ein Ampelbündnis und der vor Kurzem noch unvorstellbaren Verbundenheit von FDP und Grünen auseinandergesetzt, in denen Robert Habeck den Liberalen „Anerkennung und Respekt“ zuspricht.

In diesem Artikel wird festgestellt, dass Grüne und Liberale bisher nur in herzlicher Abneigung verbunden waren. Gepflegt wurden noch vor Kurzem alle Klischees: Auf der einen Seite die staatsgläubigen Verbotspolitiker, die den Deutschen das Schnitzel und das Auto wegnehmen wollen. Auf der anderen Seite die fiesen Börsenzocker, die mit ihrem Porsche absichtlich Fahrradfahrer rammen. Mehr gegenseitige Verachtung gab es selten und ausgerechnet jetzt wollen sie zusammen regieren?

Das Verhältnis hat sich auf atemberaubender Weise gedreht, schreibt die Welt. Linder spricht sogar von einem „fortschrittsfreundlichen Zentrum“ – und meint natürlich seine Partei und die von Robert Habeck. Dieser revanchiert sich mit Komplimenten wie der Weg der Liberalen in die Ampelsondierungen sei der längste gewesen. Deshalb gebührt den Liberalen „Anspruch auf Anerkennung und Respekt“.

Noch nie sind zwei so konkurrierende Parteichefs so abgeklärt miteinander umgegangen. Statements werden bis ins Detail angestimmt, vertrauliche Termine geplant und Sprachregelungen getroffen – und nichts dringt nach außen. Jetzt geht es in die Gespräche mit der SPD – und Grüne sowie FDP betonen, dass ein Jamaika Bündnis erst einmal zurück gestellt ist, aber immer noch eine Option bleibe.

Man kann gespannt sein, was bei den Gesprächen mit der SPD heraus kommt. Bisher waren die JUSOS und auch die Jungen Grünen relativ zurückhaltend in ihren Forderungen. In beiden Parteien ist allerdings ein gewaltiger Linksruck festzustellen. Die Parteilinken, insbesondere bei der SPD, sind im neuen Bundestag wesentlich stärker als in der Vergangenheit vertreten und es ist kaum vorstellbar, dass sie bereit sind, grundsätzliche Positionen aufzugeben. Für die FDP werden sich diese Dreier – Gespräche schwieriger gestalten, weil sich SPD und Grüne ideologisch wesentlich näher stehen. Deren programmatischen Unterschiede stehen in einem nahezu unüberwindbaren Gegensatz zu den grundsätzlichen Positionen der Liberalen. Sie liegen Lichtjahre auseinander.

Die FDP besteht darauf, dass der Soli komplett abgeschafft wird, es zu keiner Steuererhöhung und Umverteilung kommen darf und die Schuldenbremse nicht verhandelbar ist. Der FDP Generalsekretär Wissing führte hierzu noch mal aus, dass daran festgehalten wird, denn Schulden schaffen keine Zukunft. Ebenso wird die Einführung einer Bürgerversicherung vehement abgelehnt. Ob diese Punkte dann tatsächlich eine rote Linie für die FDP darstellen, bleibt abzuwarten. Die Grünen sind dagegen für eine Aufweichung der Schuldenbremse, um massive Investitionen in Klimaschutz und Infrastruktur zu ermöglichen. Es stellt sich die Frage, wer welche Kröte schluckt und Gefahr dabei läuft, sich daran zu verschlucken.

Hinter der plötzlichen Verbundenheit beider Parteien steckt eine kühle Analyse, vermutet die Welt in ihrem Beitrag. Grüne und FDP sind aufeinander angewiesen, denn scheitern sie daran, entweder mit der SPD oder auch mit der Union eine Koalition auf die Beine zu stellen, finden sie sich im Bundestag in der Opposition wieder. Und diese Abhängigkeit gilt nicht nur für die Tage der Sondierung, sondern für die nächsten vier Jahre. Die Grünen haben ihren Wählern eine „Klimaregierung“ versprochen, die FDP eine „Regierung der Mitte“ mit Wohlstandsgarantie.

Der Konflikt mit den eher linksorientierten Nachwuchsorganisationen der SPD und Grünen ist jedenfalls vorprogrammiert und selbst wenn es zu einer Koalition kommt, werden diese großen programmatischen Unterschiede unweigerlich ein großes Konfliktpotential darstellen. Man darf also gespannt sein.