Nach einem kurzen und heftigen Wahlkampf steht fest, die Ampelparteien haben eine bittere Niederlage erlitten und sind abgewählt. Die FDP ist sogar an der 5% Hürde gescheitert, ebenso wie das BSW. Erstaunlich ist das Abschneiden der Linken und erschreckend das Ergebnis der rechtspopulistischen AfD, insbesondere im Osten, denn dieser ist tiefblau, während der Westen schwarz gewählt hat. Der Regierungsauftrag geht eindeutig an die Union, die aber ihr selbst gestecktes Ziel mit 30 Prozent verfehlt hat. Die Wählergruppe 60 + hat großen Anteil am Wahlerfolg der Union.

Die CDU konnte 143 Wahlkreise direkt gewinnen, aber nur 128 Direktkandidaten ziehen davon aufgrund des neuen Wahlrechts in den Bundestag ein. Die CSU gewinnt 47 Wahlkreise. Davon ziehen 44 Abgeordnete in den Bundestag ein.

Positiv ist die hohe Wahlbeteiligung mit 82,5 Prozent. Das ist die höchste Wahlbeteiligung seit der Wiedervereinigung. 2021 waren es 76 Prozent.

Das Wahlergebnis und die Sitzverteilung:

  • CDU/CSU 28,5 % + 4,4 % 208 Sitze
  • AfD 20,8 % + 10,4 % 152 Sitze
  • SPD 16,4% – 9,3 % 120 Sitze
  • Grüne 11,6% – 3,1 % 85 Sitze
  • Linke 8,8 % + 8,8 % 64 Sitze
  • BSW 4,97 % neu 0
  • FDP 4,3 % – 7,1 % 0
  • SSW 1 Sitz
  • Andere 4,6 % – 4,1 %

Anmerkung: Der Südschleswigscher Wählerverband SSW , die Kleinstpartei der dänischen Minderheit, ist von der Fünf-Prozent-Hürde auf der Grundlage der Bonner – Kopenhagener Erklärung vom 29.03.1955 als einzige Partei von der Fünf-Prozent-Hürde befreit. Er nimmt hiernach am sog. Verhältnisausgleich teil, auch wenn er nicht insgesamt 5 % der gültigen Zweitstimmen erreicht hat.

Der Bundestag hat künftig aufgrund der Wahlrechtsreform noch 630 Sitze. Es werden 316 Sitze für die Mehrheit der Mandate benötigt. Die Union hat eine Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch ausgeschlossen und dabei bleibt es. Die erforderliche Mehrheit wird nur durch eine Koalition CDU / CSU und SPD, welche zusammen über 328 Mandate verfügen, erreicht.

In Westdeutschland schneidet die Union mit 30,9 Prozent (+5,1%) deutlich besser ab als im Osten mit 18,7 Prozent (+ 1,4%). Als einzige Partei der politischen Mitte konnte die Union gegenüber 2021 um 5,1 % zulegen. Die Parteien der Ampel wurden hart abgestraft, sie haben erhebliche Einbußen zu verzeichnen welche im Falle der FDP zum Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde führte. Die politische Mitte ist damit erheblich geschrumpft. Die politischen Ränder kommen jetzt auf einen Anteil von 34,6 Prozent einschl. BSW, das ebenfalls an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte. Die Ränder haben gegenüber 2021 um 19,3 Prozent zugelegt. Eine besorgniserregende Entwicklung.

Die von der Ampelregierung beschlossene Änderung des Wahlrechts hinsichtlich des Stellenwertes von Direktmandaten hatte gravierende Auswirkungen, vorwiegend zu Lasten der Union. Die Zweitstimme wurde aufgewertet. Die Erststimme für den Direktkandidaten des Wahlkreises wurde abgewertet, weil dieses durch das Zweitstimmenergebnis der Partei gedeckt sein muss. Das bedeutet, dass nicht jeder Wahlkreisgewinner automatisch einen Sitz im Bundestag hat. Parteien dürfen nur noch so viele Politikerinnen und Politiker in den Bundestag schicken, wie ihre Zweitstimmen hergeben. Überhang- und Ausgleichsmandate gibt es nicht mehr. Davon betroffen waren vor allem Kandidaten der Union, die ihre Wahlkreise in Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Bayern haben. Begründet wurde die Wahlrechtsreform mit der Beschränkung des Bundestages auf 630 Mitglieder. Das hätte man allerdings auch anders regeln können.

In Hessen sind nach dieser Regelung fünf CDU Bewerber leer ausgegangen, nämlich Anna-Maria Bischof (30,1% – Wahlkreis Schwalm-Eder), Yannick Schwandner (26,0% – Wahlkreis Frankfurt I), Leopold Born (27,4% -Wahlkreis Frankfurt II), Marcus Kretschmann (30,3% Wahlkreis Groß Gerau) und Dr. Astrid Mannes (26,7% Landkreis Darmstadt). Sie alle haben einen engagierten und erfolgreichen Wahlkampf geführt, das Vertrauen der Wähler im Wahlkreis gewonnen und müssen trotzdem draußen bleiben. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 2. März berichtet, dass der Präsident der IHK Frankfurt, Ulrich Caspar, es bedenklich findet, dass gleich mehrere Wahlkreise im Rhein Main Gebiet jetzt verwaist sind. Das sei für diese Region keine gute Entwicklung. Allein in Frankfurt hätten jetzt rd. 65.000 IHK zugehörige Unternehmen keinen Ansprechpartner über die Gewinner der Wahlkreise in Berlin. Dies ist in Hinblick der drängenden wirtschaftlichen Herausforderungen problematisch. Man habe hier gehofft, mit Leopold Born einen kompetenten Ansprechpartner in der Regierungsfraktion zu haben und muss jetzt mit dem unterlegenen Grünen Nouripour Vorlieb nehmen. In Darmstadt kommt es noch schlimmer, denn die Wahlkreisgewinnerin Astrid Mannes von der CDU zieht ebenso nicht in den Bundestag ein, auch nicht Kandidaten anderer Parteien, weil sie auch nicht über die Liste reinkamen. Insofern ist Darmstadt völlig verwaist.

Von der SPD konnte die CDU 49 Wahlkreise direkt gewinnen, von denen acht direkt gewählte nicht in den Bundestag aufgrund des neuen Wahlrechts einziehen konnten. Im Gegenzug verliert die CDU 11 Wahlkreise an die AfD. Davon bleibt 1 unbesetzt.

Weiterhin gewinnt die CDU insgesamt fünf Wahlkreise von den Grünen, von denen die Gewinner alle nicht in den Bundestag einziehen. Prominente Beispiele: In Schleswig Holstein gewinnt die CDU Kandidatin Petra Nicolaisen ihren Wahlkreis Flensburg-Schleswig gegen Vize-Kanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck, aber sie zieht nicht in den Bundestag ein. In Bayern hat sich der CSU-Kandidat Volker Ullrich im Wahlkreis Augsburg-Stadt mit mehr als 10 Prozentpunkten gegen das Grüne-Urgestein Claudia Roth, Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, durchgesetzt, doch da zieht die Unterlegene in den Bundestag ein. Volker Ullrich bleibt das als Wahlkreissieger leider verwehrt. Das widerspricht jeglichem Demokratieverständnis. Bundesweit betrifft es 23 direkt gewählte Kandidaten, davon 18 von der Union. In diesen Wahlkreisen gibt es entweder überhaupt keinen Bundestagsabgeordneten oder es zieht ein unterlegener Listenkandidat in den Bundestag ein. Ist das gerecht?

Diese Regelung untergräbt das Prinzip der direkten Repräsentation, bildet nicht mehr den Wählerwillen ab, ist ungerecht und schädlich für die Demokratie. Leider hatte das Bundesverfassungsgericht eine andere Rechtsauffassung, denn es hatte gegen diese Wahlrechtsänderung keine rechtlichen Bedenken.

Die FDP hat dieser Wahlrechtsreform in der Ampel zugestimmt. Damit hat sie sich ein gewaltiges Eigentor geschossen, denn sie konnte nicht, wie bisher, auf eine Zweitstimmenkampagne mit Leihstimmen aus der CDU bauen.

Interessant ist auch die Analyse über das Wahlverhalten der unterschiedlichen Wählergruppen:

Die Union gewinnt vor allem von der SPD rd. 1,76 Mio und der FDP rd. 1,35 Mio Wählerstimmen hinzu. Zusätzlich profitierte die Union von ehemaligen Nichtwählern mit rd. 900 Tsd. Auch von den Grünen gingen rd. 460 Tsd und von sonstigen Parteien rd. 360 Tsd Stimmen an die Union.

Von der Union wechselten zur AfD rd. 1,01 Mio, zum BSW rd. 220 Tsd und zu den Linken rd. 70 Tsd Wähler. Im ländlichen Bereich schnitt die Union besser ab als in Großstädten.

Von allen Parteien profitierte die AfD mit Abstand von der gestiegenen Wahlbeteiligung. Rd. 1,81 Mio frühere Nichtwähler stimmten für die AfD. Zusätzlich gingen von der CDU 1,01 Mio, von der FDP rd. 890 Tsd. , von der SPD rd. 720 Tsd. und von den sonstigen Parteien rd. 790 Tsd Stimmen auf die AfD über. Besonders in Ostdeutschland holte sie hohe Ergebnisse.

Die SPD verlor in fast alle Richtungen. Die größten Verluste verzeichnet sie an die Union mit rd. 1,76 Mio, darüber hinaus rd. 720 Tsd an die AfD, rd. 560 Tsd an die Linke, rd. 440 Tsd an das BSW und rd. 100 Tsd an die Grünen. Von den Nichtwählern kamen rd. 250 Tsd, von der FDP rd. 120 Tsd. und von den sonstigen Parteien rd. 60 Tsd Stimmen hinzu.

Auch die Grünen haben lagerübergreifend verloren, am meisten an die Linke rd. 700 Tsd. Auch verloren sie an die Union rd. 460 Tsd, an das BSW rd. 150 Tsd und die AfD rd. 100 Tsd. Stimmen. Sie gewannen rd. 140 Tsd. Stimmen von der FDP, von der SPD rd. 100 Tsd und von den bisherigen Nichtwählern 110 Tsd.

Die Linken gewannen aus allen Richtungen. Rd. 700 Tsd. von den Grünen, rd. 560 Tsd von der SPD, von den sonst. Parteien rd 310 Tsd., von den ehemaligen Nichtwählern rd 290 Tsd, von der FDP rd 140 Tsd, der CDU rd 70 Tsd. Lediglich an das BSW gaben sie rd. 350 Tsd und die AFD rd 110 Tsd Stimmen ab.

Die FDP konnte als einzige Partei nicht von der hohen Wahlbeteiligung profitieren, im Gegenteil, rd. 40 Tsd ehemalige FDP-Wähler gingen nicht zur Wahl. Es gab auch keine Zuwächse. Die größten Verluste waren an die Union mit rd. 1,35 Mio Wähler zu verzeichnen, an die AfD verlor sie rd. 890 Tsd, an das BSW 260 Tsd, die Grünen 140 Tsd, die SPD 120 Tsd, die Linke 100 Tsd und sonst. Parteien 120 Tsd. Die FDP scheiterte an der 5 Prozent Hürde und ist im nächsten Bundestag nicht mehr vertreten.

Das BSW trat erstmals bei einer Bundestagswahl an und scheiterte knapp an der 5 Prozent Hürde.

Bei der Altersgruppe 18 – 24 jährige kam die Linke auf einen Stimmenanteil von 25 Prozent, gefolgt von der AfD mit 21 Prozent. Die Union erreichte bei dieser Altersgruppe lediglich 13 Prozent.

Bei den 25 – 34 jährigen holte die AfD 24 % der Stimmen, die Linken kamen auf 16 %. Hier lag die Union immerhin bei 17 %.

Bei den 35 – 44 jährigen erreichte die AfD 26 % , knapp vor der Union, die auf 24 % der Stimmen kam.

Ab der Altersgruppe 45 – 59 Jahre kippte das Wahlverhalten zugunsten der Union, die hier 33 % der Stimmen erhielt. Bei dieser Wählergruppe gab es Zugewinne. Die AfD kam auf 22 %, die SPD auf 15 %.

Bei den 60 – 69 jährigen erhielt die CDU ebenfalls 33 %, vor der SPD mit 21 % und der AfD mit 19 %.

Bei der Altersgruppe 70 + wählten 43 % die Union, 25 % die SPD und 10 % die AfD.

Diese Zahlen machen deutlich: Ohne die Älteren wäre die Union aus dieser Wahl nicht als stärkste Partei hervorgegangen, würde nicht den Kanzler stellen.

Laut Infratest dimap entschieden sich 25 Prozent der 18 – 24-jährigen für die Linke, 20 Prozent für die AfD und 6 Prozent für das BSW. Das bedeutet eine absolute Mehrheit für Radikale! Bei den demokratischen Parteien müssen hier alle Alarmglocken klingeln. Ihre Programme kommen anscheinend bei dieser Generation nicht an, weil die Art der Ansprache möglicherweise nicht mehr dem Zeitgeist entspricht. Das muss zu Denken geben!

Es ist unbestritten, die Medien hatten einen großen Einfluss auf das Wahlverhalten. Die Presse war nicht unbedingt unionsfreundlich. Bei den Sozialen Medien fand die Union kaum statt. Dabei spielen gerade diese eine zunehmende Rolle bei der politischen Meinungsbildung. Für 78 Prozent der unter 30-jährigen in Deutschland sind die sozialen Medien der schnellste Zugang zum aktuellen Weltgeschehen. Auch bei den über 30-jährigen sagten das nach einer Umfrage des Branchenverbandes Bitkom. Mehr als die Hälfte der unter 30-jährigen wüssten nach eigenen Angaben ohne soziale Netzwerke nicht, was in der Welt geschieht. Dabei sind „Fake News“ ein großes Problem. Laut dieser Umfrage haben zwei Drittel der Nutzer von sozialen Netzwerken nach eigenen Angaben offensichtlich gefälschte Nachrichten wahrgenommen. Diese werden gezielt eingesetzt, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen.

Auf Tik-Tok hatte die AfD die Nase vorn. Ebenso die Linke, welche durch ihre Vorsitzende Heidi Reichinnek, aber auch durch Gregor Gysi, Bodo Ramelow und Dietmar Bartsch mit ihrer Aktion Silberlocke einen regelrechten Social-Media-Hype ausgelöst haben. Aber gerade diese Jungwähler, leicht beeinflussbar durch radikale Forderungen wie Remigration oder Milliardäre abschaffen, fernab vom politisch Machbaren, wurden von der Union nicht erreicht. Es reicht nicht, wenn Söder Bäume umarmt oder seine Speisekarte postet. Auch Posts auf You Tube entfalten nicht die Wirkung wie Tik Tok, X, Instagram u.a. . Für die Union besteht hier erheblicher Nachholbedarf und es müssen Strategien hinsichtlich einer wirksamen Nutzung von Social Media entwickelt werden.

Jetzt muss zügig mit den Koalitionsverhandlungen begonnen werden. Friedrich Merz hat das sehr ambitionierte Ziel ausgegeben, bis Ostern eine neue Regierung zu präsentieren. Das gelingt nur, wenn CDU und SPD zielgerecht an einem Strang ziehen. „Ich verspreche dass ich nerve“ gab die SPD-Co-Chefin Saskia Eskens bereits von sich, bevor sich die Verhandlungsteams von Union und SPD getroffen haben. Auch hatte der Kreisvorsitzenden der SPD Fulda, Michael Busold, in der FZ am 26. März geäußert, er brauche sich den Koalitionsvertrag gar nicht durchzulesen. Er wird in jedem Fall einer Mitgliederentscheidung mit „Nein“ stimmen erklärte er. Der ehemalige Verteidigungsminister Peter Struck von der SPD hat einmal gesagt: „Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Klappe halten“. Anscheinend haben Saskia Eskens und ebenso Michael Busold den Schlag noch nicht gehört. Immerhin hat die SPD ihr bisher schlechtestes Wahlergebnis bei dieser Wahl erzielt. Daher wäre etwas Zurückhaltung durchaus angebracht.

Ziel der Sondierungsgespräche und der anschließenden Koalitionsverhandlungen muss es sein, so schnell wie möglich eine stabile Regierung hinzubekommen. Die Bürger haben die Nase voll von ewigem Streit. Sie wollen klare Antworten. Es müssen die wichtigen Probleme gelöst werden, nämlich endlich wieder Wirtschaftswachstum, Innere Sicherheit ohne faule Kompromisse, konsequenter Kampf gegen illegale Migration, Herstellen der Verteidigungsfähigkeit, eine Reform der Schuldenbremse und des Bürgergelds, Klimaschutz, Abbau von Bürokratie und noch einiges mehr. Auch eine Reform des Wahlrechts ist hinsichtlich der eingangs gemachten Ausführungen unabdingbar. Hinzu kommt, wir können uns nicht mehr auf die USA in Sicherheitsfragen verlassen. Wir müssen uns mit unseren europäischen Partnern selbst darum kümmern und wieder eine Führungsrolle in der EU als größte Volkswirtschaft übernehmen. Dafür brauchen wir neue, unverbrauchte, kreative, pragmatische, kompromissbereite und vor allem kompetente Protagonisten. Eines steht fest und darüber müssen sich alle Beteiligten im Klaren sein. Diese neue Regierung hat eine große Verantwortung. Regelt sie die Probleme nicht und scheitert, wird die demokratische Mitte bei der nächsten Wahl eine große Überraschung erleben. Das ist ihre letzte Chance. Wer jetzt immer noch in der SPD glaubt oder damit droht, Friedrich Merz die Stimme bei der Kanzlerwahl zu verweigern zeigt, dass er den Ernst der Lage immer noch nicht begriffen hat. Die SPD sollte nicht zu hoch pokern und auf dem Boden bleiben, denn es darf keine Zeit verloren werden. Geht das jetzt schief, werden wir unser „blaues Wunder“ erleben, über das man sich dann allerdings nicht wundern sollte.

Das verwendete Zahlenmaterial basiert insbes. auf die Ausführungen der KAS Monitor Wahl- und Sozialforschung zur Bundestagswahl vom 23. 02. 2025.