Die EU beabsichtigt, die Regeln zum Autofahren für Seniorinnen und Senioren ab 70 zu verschärfen. Diese sollen künftig regelmäßig nachweisen, dass sie noch fahrtauglich sind.

Die Europäische Union hat eine Vision: Bis 2050 soll es in der EU keine Verkehrstoten mehr geben, bis 2030 sollen die Zahlen halbiert werden. Dieses Ziel ist mehr als ambitioniert. Im Jahr 2022 kamen in der EU etwa 20.600 Personen im Straßenverkehr ums Leben. Gegenüber den beiden Pandemiejahren 2020 und 2021, in denen die Zahl jeweils unter 20.000 lag, ist das ein Anstieg. Die Pandemiejahre 2020 und 2021 sind allerdings nicht repräsentativ, da aufgrund der Coronabeschränkungen weniger Verkehrsaufkommen zu verzeichnen war. Um das gesteckte Ziel zu erreichen, soll EU-weit eine große Führerscheinreform zur Verbesserung der Verkehrssicherheit eingeführt werden. In dieser Reform soll künftig die Verkehrstauglichkeit von Autofahrern über 70 Jahre alle fünf Jahre überprüft werden.

Statistik Verkehrstote in Deutschland: 2018 = 3.275, 2019 = 3.046, 2020 = 2.719, 2021 = 2.562, 2022 = 2.782 Es ist ein ständiger Rückgang zu verzeichnen, 2020 und 2021 Corona-bedingt niedriger, deswegen leichte Steigerung in 2022.

Laut dem Gesetzentwurf der EU-Kommission sollen die Laufzeiten der Führerscheine verändert werden. Bei uns gilt derzeit, einmal Führerschein immer Führerschein. In anderen Ländern gibt es Regelungen für eine medizinische Untersuchung älterer Autofahrer, u-a- in Spanien, Italien, Griechenland, Frankreich, Dänemark, Niederlande, Schweden, England und Luxemburg, ebenso in der Schweiz, wo sich Ältere ab 75 Jahre im zweijährigen Turnus einer medizinischen Kontrolluntersuchung unterziehen müssen, die etwa 120 bis 150 Franken kostet.

In Deutschland gilt, wer seine Führerscheinprüfung bestanden hat, erhält in der Regel eine lebenslange Fahrerlaubnis. Es gibt allerdings Situationen, in denen Behörden entscheiden können, dass jemand nicht mehr Autofahren sollte. Die Führerscheinbehörde kann dann anordnen, dass die Fahrtauglichkeit durch einen Gutachter überprüft wird und ggfs. der Führerschein entzogen wird. Darüber hinaus können Senioren natürlich freiwillig entscheiden, ihren Führerschein zurückzugeben. Aber mal ganz ehrlich: So etwas fällt sehr schwer, denn Autofahren steht für Unabhängigkeit und Bewegungsfreiheit, besonders im Alter.

Die EU-Kommission plant, die Laufzeiten der Führerscheine dahingehend zu verändern, dass sie generell 15 Jahre gültig sein sollen und danach erneuert werden müssen. Die Erneuerung kann dann auch online abgewickelt werden. Die 15-jährige Gültigkeit soll aber für alle über 70 Jahre nicht mehr gelten. Senioren erhalten dann nur noch eine 5-jährige Gültigkeit. In dem Zusammenhang will man die Grundlage schaffen, regelmäßig die Fahrtauglichkeit von Senioren zu überprüfen. Ob man dann davon Gebrauch macht, das soll den Mitgliedsstaaten überlassen werden.

In Deutschland besitzen ca. 55 Mio. Personen einen PKW-Führerschein, etwa 18 Mio. einen Motorradführerschein. Von diesen Inhabern eines Führerscheins sind rd.10 Mio. älter als 65, rd.2 Mio. älter als 75. Sollte eine Altersgrenze festgelegt werden, müssten nach Einführung dieser EU-Führerscheinrichtlinie in Deutschland jährlich Hunderttausende Führerscheininhaber zur medizinischen Untersuchung, die sie dann wahrscheinlich auch noch selbst bezahlen müssen. Das bedeutet, dass bei einem Preis von rd. 100 € pro Untersuchung ein gewaltiges jährliches Marktvolumen von mehreren Millionen EURO entstehen würde. Die Frage, die sich hier stellt, welcher bürokratische Aufwand entsteht um das zu leisten und welche Kosten das verursacht. Ebenso ob für Untersuchungen und evtl. Gutachter überhaupt ausreichend Fachpersonal zur Verfügung steht. Auch käme bei einer Ablehnung der Verlängerung eine Flut von Verwaltungsstreitverfahren auf die ohnehin schon überlasteten Verwaltungsgerichte zu. Ob hier Aufwand und Nutzen in einem sinnvollen Verhältnis stehen, muss bezweifelt werden.

Dürfen ältere Menschen nicht mehr Auto fahren, nimmt man ihnen einen großen Teil ihrer Freiheit und Identität. Besonders im ländlichen Raum ist die ältere Generation auf den PKW angewiesen wenn es darum geht, die Geschäfte des täglichen Bedarfs wie Einkaufen, Behörden-, Sparkassen- oder Arztbesuche zu tätigen und auch kulturelle Angebote wahrzunehmen, die nun mal überwiegend in den Städten angeboten werden. Auch wird das Auswirkungen auf das Ehrenamt geben, welches gerade von der älteren Generation lebt. Die Kommunen wären dann gefordert, an besseren Mobilitätskonzepten zu arbeiten, damit dieser Personenkreis mobil bleiben kann und nicht abgehängt wird.

Schaut man sich Unfallstatistiken an, fallen nicht die älteren Verkehrsteilnehmer, sondern die Altersgruppe 18 bis 24-jährige Männer negativ auf – und diese haben die Führerscheinprüfung erst vor Kurzem abgelegt. Man sollte es belassen, wie es derzeit ist und im Einzelfall entscheiden, wenn es anhand von Unfällen oder Einschätzung des Hausarztes Anzeichen gibt, dass die Fahrtauglichkeit beeinträchtigt ist. Und dafür braucht es keine Änderung der derzeit in Deutschland gültigen Regelungen. Es ist diskriminierend, wenn ältere Menschen ohne besonderen Anlass sich regelmäßig Tauglichkeitstests unterziehen müssen. Also lasst die Regelung wie sie derzeit ist. Es gibt derzeit keinerlei Veranlassung für eine Veränderung.

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